Vortrag von Herrn Lutz Niehage, Orthopädiemechanikermeister, am 31.05.2011
Kontrakturen
Es liegt eine Bewegungseinschränkung des Gelenkes vor.
Eigenschaften und Ursachen
Nach Amputation ist das nächst höher gelegene Gelenk betroffen. Nach US Amputation meist das Knie, aber auch Knie und Hüfte. Nach OS Amputation ist die Hüfte betroffen. Kontrakturen können in der Haut, im Muskelgewebe oder in den Gelenken entstehen, aber auch in Kombination.
Muskelkontrakturen
Der Bewegungsbereich ist durch eine Weichteilverkürzung eingeschränkt. Meist ist diese Kontraktur nicht fixiert und kann durch Physiotherapie verringert werden. Häufig liegt ein Streckdefizit im Kniegelenk oder im Hüftgelenk vor.
Ursache: Durch starke Rückenschmerzen kommt es zur Verkürzung des M. Iliopsoas (Hüftbeugemuskel), was nach der Amputation die Bewegung der Hüfte stark einschränken kann. Vieles Sitzen ohne Ausgleichbewegung verkürzt die Hüfte und den
Kniebeuger.
Durch Spastiken z.B. nach Schlafanfall
Therapie: Durch aktives und passives Dehnen recht gut zu behandeln.
Wärme (Vorsicht bei Gefäßpatienten)
Ultraschall
Reizstrom
Nachtschienen
Vorsicht bei spastischen Kontrakturen, hier darf nur behutsam gedehnt werden.
Gelenkkontrakturen
Bewegungseinschränkung entsteht durch knöchernde Veränderungen im Gelenk, oder durch Verklebungen, oder durch Schrumpfen des Kapsel-Bandapparates.
Ursache: Poyarthritis (Rheuma)
Arthrose
Verletzungen
Gelenkkontrakturen sind fixiert, und dürfen deshalb nicht passiv
aufgedehnt werden. (Reizzustände entstehen im Gelenk)
Therapie: Muskelanspannung ohne Gelenkbewegung
Hautkontraktur
Kann durch Narben während der Wundheilung entstehen.
Es kommt auch zu Verklebungen der einzelnen Gewebeschichten.
Therapie: Narbenpflege und Massage.
Verzögerte Wundheilung [1]
Ursache: Durchblutungsstörungen
Äußere Einflüsse (Druck, Fremdkörper im Schaft, falsches Anziehen der
Prothese)
Stumpfverletzungen
Therapie: Förderung der Durchblutung durch
UV Bestrahlungen
Whirlpoolbäder
Wundtaping
Ruhigstellung des Stumpfes
Abnormale Stumpfformen
Stumpfödem |
Ödem
Das häufigste Problem nach Amputationen
Umfangzunahme des Stumpfes
Stört die Durchblutung
Hindert die Wundheilung
Verzögert das Anpassen der Prothese
Ursache: Die physiologische Muskelpumpe ist durch die Amputation gestört.
Herz und Kreislaufinsuffizienz
Störung des Eiweiß- und Elektrolyt Haushaltes
Nierenerkrankungen
Lokale verstärkte Durchblutung nach Amputation (normal)
Durch Fremdkörper (nicht resorbierbare Nähte)
Totes Gewebe
Wundinfektion
Narbeneinzüge
Falsche Lagerung, dadurch Druck von Außen
Bei Linerversorgung mit Pin, möglich
Therapie: Formen des Stumpfes durch Kompression
Kolbige Stumpfformen
Das Stumpfende ist dicker als der mittlere Stumpfbereich.
Therapie: Besonderer Umfangausgleich mit Weichwandtrichter durch den
Techniker.
Kompression
Überschüssiges Weichteilgewebe [2]
Übermäßige Weichteilmasse im Stumpfendbereich hat keine Funktion, da die die Hebelwirkung des Stumpfes nur von der Knochenlänge abhängt. Das Anziehen der Prothese wird erschwert. Das Gewebe muss vor dem Anziehen der Prothese durch einen Liner in Form gehalten werden. |
Durch die überschüssige Weichteilmasse ist das räumliche Empfinden des Stumpfes und die Kontrolle über die Prothese reduziert.
Mangelhafte Weichteildeckung
Ein knöcherndes Stumpfende führt zu Problemen bei der Stumpfbettung durch mangelhaften Stumpfendkontakt. |
Problemlösung: Durch myoplastische Maßnahmen
Seltener durch Stumpfverkürzung
Wenn möglich Stumpfendweichbettung in der Prothese
Hautplastiken
Hautplastiken sind z.B. nach Verbrennungen erforderlich, oder um die Stumpflänge zu erhalten. Sie sind sehr druckempfind-lich, und mit der Physiotherapie bzw. der prothetischen Versorgung darf erst begonnen werden, wenn die Verhältnisse stabil sind. |
Adduktorenwulst
Frauen sind häufiger Betroffen als Männer. Das weiche Gewebe stört beim Anziehen der Prothese, da es sich nach oben verschiebt, und einen Wulst zwischen Schaftwand und dem Schambein bildet. Die Patientin sitzt mit dem Wulst auf dem Schaftrand. Durch Linerversorgung bekommt man die Weichteile recht gut gefasst. |
Phantomgefühl und Phantomschmerz
Passformprobleme in der Prothese
Pumpen des Stumpfes im Schaft
Prothese als Ursache: Mangelhafte Haftung der Prothese (Material) durch zu großen oder zu engen Schaft.
Der Stumpf verliert einen Teil seiner Hebelkontrolle über die Prothese. Die Reibung kann Hautschäden verursachen. Der Amputierte spürt bei jedem Schritt einen Aufstoß, der schmerzhaft sein kann.
Weichteilmantel als Ursache: Pumpen durch verschiebbare Weichteile. Bei Entlastung in der Schwungphase lösen sich die Weichteile vom Stumpfende, und beim Zutreten reißen sie am Stumpfende, wodurch es zu erheblichen Schmerzen kommen kann.
Problemlösung: Linerversorgung oder Trikotschlauch als Anziehhilfe um das Gewebe ohne Spannung zu betten.
Reibungen und lokale Druckstellen [2]
Ursache: Schlecht sitzender Prothesenschaft u. U. durch
Volumenschwankungen. Entsteht oft bei Amputierten, die ein
gestörtes Stumpfempfinden haben. (Polyneuropathie)
Behandlung: Derma prevent oder Derma repair Lotion
Passformkontrolle der Prothese.(Maßkontrolle!!!)
Handhabungskontrolle (richtiges Anziehen der Prothese)
Prominente Stellen (Tibiakante) durch Pads freilegen.
Aufgelegter Verband muss dünn sein um den Druck auf die Haut im
Schaft gering zu halten.
Bei ausgeprägten Abschürfungen ist Prothesenpause angezeigt.
Spannungsblasen [2]
Spannungsblasen sind mit einer serösen Flüssigkeit gefüllt. |
Ursache: Sie entstehen durch Reibung, vor allem bei ödematösen Stümpfen,
die einen dicken Weichteilmantel haben. Betroffen ist meist das
Stumpfende
oder der Bereich des Oberen Schaftrandes.
Behandlung: Blasen sorgfältig konservativ behandeln, nicht aufstechen.
Stumpfbelastung einstellen.
Passformkontrolle.
Kontaktallergie
Ursache: Auslösende Antigene durch folgende Materialien:
Kunstharze, Polyester, Acrylate, Lacke, Leder, Metalle
Wollstrümpfe, Kunstfasern
Waschmittel zur Stumpfpflege
Eigener Körperschweiß im Schaft
Behandlung: Das Antigen muss entfernt werden
Schwitzen
Ursache: Die Verdunstung von Flüssigkeit über die Haut dient dem
lebenswichtigen Temperaturausgleich. Ein Bein umfasst ca. 23%
dieser Verdunstungsoberfläche. Nach einer Beinamputation muss
die verringerte Hautoberfläche nun diese Funktion übernehmen.
Daher vermehrtes Schwitzen der Beinamputierten.
Aber auch durch den erhöhten Kraftaufwand beim Umgang mit der
Prothese.
Überfunktion der Schilddrüse möglich
Problemlösung: Perforieren des Schaftes bringt selten Erfolg
Mit Schaftmaterial experimentieren (Kosten!)
Im Schaftboden ein Säckchen mit Kieselgur einarbeiten.
Schaftform überprüfen (Endkontakt)
Medikamente als Flüssigkeiten oder Salben
Venöse Abflussstörung
Erscheinungsbild: rötlich-bläuliche Verfärbung am Stumpfende
Stumpfschmerzen
Stumpfschwellung
Druckschmerz im Bereich des Tubers
Tritt häufig bei Patienten auf, die bereits vor der OS Amputation venöse Rückflussstörungen hatten.
Behandlung: Schaftform überprüfen.(Häufig Probleme bei der Querovalen
Schaftform)
Verruköse Hyperplasie [2]
Entwickelt sich allmählich bei Amputierten, die ihre Prothese oft gebrauchen und der Stumpf ohne Endkontakt im Schaft gebettet wird |
Erscheinungsbild:Die gräulich verfärbte Haut sieht blumenkohlartig aus
Die Elastizität geht verloren
Risse bilden sich im Stumpfendbereich
Sensibilitätsstörungen.
Problemlösung: Neuer Schaft mit Stumpfendkontakt
Zysten/Prothesenrandknoten [1]
Zysten entstehen bei besonders aktiven Prothesenträgern. Bei OS Amputierten häufig am Schaftrand. Bei US Amputierten meist in der Kniekehle. |
Therapie: Druck und Reibekräfte vermeiden
Medikamente, Salben (Antibiotika)
UV Bestrahlung
Hygienische Maßnahmen
Zur Not operative Drainage legen.
Knochensporn
Sie entstehen, wenn während der Operation Knochenhautpartikel in die Weichteile verschleppt werden, oder wenn das knöchernde Ende eine raue Oberfläche hat.
Liegt der Knochensporn tief, bereitet er keine Probleme. Liegt er allerdings nahe unter der Haut, können erhebliche Schmerzen auftreten.
Problemlösung: Wenn möglich, die Stelle in der Prothese freilegen
Sonst operative Entfernung des Knochensporns.
Neurom
Ein Neurom ist etwas völlig normales Erscheinungsbild, durch die Aussprossung des durchtrennten Nerves, und macht normalerweise keine Probleme.
Ein Neurom ist aber auch eine abnormale Narbe des durchgetrennten Nerves, welches einen scharfen, stechenden Schmerz verursachen kann.
Das Neurom entwickelt sich erst während der Heilung, so dass die Schmerzen erst später auftreten
Therapie: Milde Wärme
Ultraschall
Stumpfresektion
Narbenadhäsion [2]
Narbengewebe ist nicht beweglich, sondern mit dem Stumpf fest verbunden. |
Problemlösung: Prothesensystem überdenken
Operative Stumpfkorrektur
Stumpfprobleme durch bestehende Erkrankungen
Es gibt hierbei folgende Stumpfprobleme: Überempfindlicher Stumpf
Schmerzhafter Stumpf
Kalter Stumpf
Gefühlloser Stumpf
Der überempfindliche Stumpf
Therapie: Stumpfabhärtung zusammen mit milder Wärme
z.B.: Streichmassagen, milde Klopf- und Vibrationsmassagen
Infrarotbestrahlung und Whirl
Alternativen zur elastischen Wicklung; z.B.: lockere Stumpfstrümpfe
TENS Therapie
Schmerzhafter Stumpf
Muskelkrämpfe durch mangelnde Durchblutung .
Vor allem bei älteren Patienten mit Durchblutungsstörungen
Therapie: Häufige Gehpausen
Längeres Stehen vermeiden (Daueranspannung der Muskulatur)
Energiesparende Bewegungsabläufe üben.
Der kalte Stumpf
Erscheinungsbild: Blässe
Sensibilitätsstörungen
Taubheitsgefühl
Stumpfschmerzen
Therapie: Bequeme Stumpfbettung
Wärmetherapie
Gefühlloser Stumpf
Ursache: Durch Neuropathien z.B. bei Diabetes
Folgen: Die Gewichtsbelastung kann nicht abgeschätzt werden
Druckstellen werden nicht bemerkt
Temperaturschwankungen werden nicht wahrgenommen
Der korrekte Prothesensitz kann nicht beurteilt werden.
Bildnachweis: Die mit [1]gekennzeichneten Bilder sind dem Buch
„Amputation und Prothesenversorgung der unteren
Extremitäten“ von Rene Baumgartner und Pierre Botta,
erschienen im Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart, 1989
und die mit [2]gekennzeichneten Bilder sind dem Buch
„Physiotherapie und Prothetik nach Amputation der unteren
Extremitäten“
von Gertrude Mensch und Wieland Kaphingst, erschienen im
Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, 1998
entnommen.
Die übrigen Bilder wurden von dem Referenten bzw. seinen
Kollegen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit bei der Firma
John und Bamberg aufgenommen